Haltung in der PR – worüber wir im Basecamp sprechen sollten

Manche Details werden ja im Eifer des PR-Gefechts schnell vergessen. So zum Beispiel, dass die Türkei unter der Führung Erdogans in Syrien Krieg führt oder dass seit den Notstandsgesetzen vom Juli 2016 deutsche Staatsangehörige in der Türkei willkürlich und ohne rechtsstaatliches Verfahren inhaftiert werden.

Plakat an der S-Bahn-Station Storkower Straße in Berlin


In seinen aktuellen Reise- und Sicherheitshinweisen zur Türkei warnt das Auswärtige Amt all diejenigen, die sich politisch in den letzten Jahren nicht auf dem Laufenden gehalten haben oder noch immer glauben, dass Erdogan der nette Mann vom Bosporus ist, eindringlich: „Unter den während des Notstands geltenden Bestimmungen kann Verdächtigen für 24 Stunden jeglicher Kontakt zur Außenwelt verwehrt werden, außerdem können sie bis zu 14 Tagen in Polizeigewahrsam genommen werden, bevor sie einem Haftrichter vorzuführen sind. Außerdem kann während eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens u.a. die Ausreise untersagt werden. Von diesen Maßnahmen, sowie von der Möglichkeit zur Verhängung von Untersuchungshaft (nach türkischem Recht bis zu sieben Jahren möglich) im Anschluss an den Polizeigewahrsam, wird unter der Geltung des Notstands reger Gebrauch gemacht. Dabei genügen oft bereits geringe Verdachtsmomente.“

 

Doch die Türkei, die lange Jahre massiv von den Devisen Deutscher Urlauber*innen profitierte, gibt sich im Kampf um die zahlungskräftigen deutschen Staatsbürger*innen nicht so leicht geschlagen. Googelt man „Türkei“, dann werden einem zunächst 3-4 Hotelvergleichsportale und Urlaubsangebote angezeigt. Die deutsche Tourismusbranche hat die Gretchenfrage zur Türkei – wie hältst du´s mit den Menschenrechten und der Rechtsstaatlichkeit, wenn es dein Kerngeschäft betrifft – für sich offenbar klar beantwortet.

 

Nun hat diese unheilige Allianz einen neuen Verbündeten gewonnen, der Kund*innen da abholt, wo sie oft ins Zweifeln geraten, wenn sie an die Türkei denken und zwar beim Roaming. Telefónica titelt seit kurzem auf ihren Plakaten und im Internet: „Urlaub im Kopf. Roaming am Start. In der Türkei extragünstig surfen und gratis angerufen werden.“


Werbeanzeige von Sixt

 

Man fragt sich dabei schon, ob die Verantwortlichen bei Telefónica einen gewissen Deniz Yücel kennen, der zwischen 14. Februar 2017 und 16. Februar 2018 wegen angeblicher „Terrorpropaganda“ in türkischer Untersuchungshaft saß und dem währenddessen die Kommunikation mit Anwälten, der Familie und den deutschen Behörden systematisch erschwert und zum Teil vollständig untersagt wurde. Man fragt sich, ob die Verantwortlichen bei Telefónica ignorieren, dass in türkischen Gefängnissen derzeit tausende politischer Gefangener inhaftiert sind, die keine Aussicht auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren haben. Wie sonst könnte der größte Mobilfunkanbieter Deutschlands die Bestrebungen der Türkei unterstützen, deutschen Urlaubern Sand in die Augen zu streuen und sich selbst so unpolitisch positionieren.

 

Unternehmen können sich aber in unseren unruhigen Zeiten nicht vollkommen unpolitisch aufstellen – denn viele ihrer Produkte und Dienstleistungen haben eine immanent politische Dimension und die Kund*innen erwarten zu Recht eine klare Haltung von Konzernen. Und die Verbraucher*innen honorieren es, wenn Unternehmen Haltung zeigen. Die Auto- und Lkw-Vermietung Sixt zeigte aber schon 2016 sehr gut, wie man als Unternehmen, das Haltung zeigt, eine Menge Geld verdienen kann. Alexander Gauland hatte im Mai 2016 der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" gesagt: „die Leute finden ihn [Jérôme Boateng] als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben.“ Infolge dieser Äußerung gestaltete das Unternehmen eine Werbeanzeige, die allen, die „einen Gauland in der Nachbarschaft haben“ und daher umziehen möchten einen günstigen Umzugs-Lkw anpries.

 

Wenn es Telefónica mit dem Basecamp in Berlin als Ort des kritischen Dialogs zu relevanten Themen ernst meint, dann stellt sich das Unternehmen auf der eigenen Bühne der Diskussion um die Haltung in seiner Public Relations und positioniert sich im Anschluss vielleicht neu. Ich bin mir sicher, dass dann einige kreative Köpfe gerne dabei helfen eine Kampagne mit einer klaren Haltung zur Menschenrechtslage in der Türkei zu entwickeln.

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