Ein Monat Bundestag - lessons learned for Public Affairs

Ich arbeite jetzt seit einem Monat als Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Berliner Büro eines Bundestagsabgeordneten mit Schwerpunkt Verkehrspolitik. Vor vier Wochen war ich noch Consultant und habe täglich daran gearbeitet Public Affairs-Konzepte verschiedener Mandanten zum Erfolg zu führen. Einiges, was ich im Bundestag erlebt habe, hat meine Sicht auf das PA-Geschäft bereits verändert, andere Eindrücke haben mich in Strategien und im ´how-to´ bestätigt. 


Hier also meine drei lessons learned aus dem Bundestag für die Public Affairs

1. Interessen wirksam vertreten: Um die eigene Position zu vermitteln, braucht es nicht immer ein Gespräch mit dem Abgeordneten

 

"Um sicherzugehen, dass unsere Position da auch wirklich ankommt, machen wir lieber ein Gespräch mit dem Abgeordneten!" So oder so ähnlich ticken leider sehr viele Interessenvertreter und offenbar werden sie darin auch von PA-Beratungen bestärkt. In einigen Fällen kann das durchaus sinnvoll sein, wer aber längerfristig am Thema des Abgeordneten arbeiten will, sollte Kontakt zu seinen Mitarbeitern aufnehmen, ihnen seine Positionspapiere (gerne auch per E-Mail) senden und sich mit ihnen über die Herausforderungen des Themenfeldes regelmäßig austauschen. Dieses Vorgehen ist bei weitem effizienter als - oft erfolglos - über Wochen zu versuchen einen Termin beim Bundestagsabgeordneten zu erhalten und dann in einem 30-Minuten-Meeting Positionen und Argumente darzustellen, die nicht wesentlich über ein gut geschriebenes Positionspapier hinausgehen. Der Austausch mit der Arbeitsebene empfiehlt sich außerdem, weil die Wissenschaftlichen Mitarbeiter mehr Zeit haben sich auch mit den fachlichen Details eines Problems und möglichen Lösungen eingehender zu beschäftigen. Zu wissen, in welchen Situationen es wirklich notwendig ist den Abgeordneten persönlich zu sprechen, macht wirksame Interessenvertretung aus.

 

2. Politik ist keine Wissenschaft - Haltung vs. Wissen 

 

"Wenn wir denen das ordentlich kommunizieren, dann sehen die das auch ein und übernehmen dann unsere Position." Ja, es gibt Interessenvertreter, die kommen mit genau diesem Habitus und versuchen eine sehr klare Haltung des Abgeordneten in einer strittigen Frage durch Wissensvermittlung, schöne Grafiken und bunte Bilder aufzubrechen und ihn davon zu überzeugen, dass das Gegenteil von dem wofür er seit Jahren steht oder wogegen er seit einer Legislaturperiode gekämpft hat, richtig ist. Danach sind sie enttäuscht, dass ihre "wissensbasierte" Charmeoffensive nicht sofort durchgeschlagen hat, sondern der/die Abgeordnete bei seiner/ihrer Haltung bleibt. Interessenvertreter*innen sollten wissen, dass Politik nicht immer einfach nur auf Wissen basiert. Im Kern von Politik stehen sehr klare und feste Haltungen. Außerdem ist Public Affairs ein kontinuierliches Spiel und Veränderungen in den Haltungen der Abgeordneten - für die sie ja auch gewählt wurden - sind entweder gar nicht oder nur ´on the long run´ möglich. Deswegen ist man als Interessenvertreter*in gut beraten seine Ressourcen an den Stellen einzusetzen, wo Erfolg möglich und wahrscheinlich ist. Es macht zum Beispiel wenig Sinn zu versuchen Abgeordnete, die sich bereits öffentlich gegen Dieselbusse ausgesprochen haben, von den Vorzügen eben jener Technologie zu überzeugen. Wer das als Interessenvertreter*in versucht zeigt, dass er sein gegenüber entweder schlecht kennt oder die entsprechende Haltung seines Gesprächspartners nicht ernst genug nimmt.  

 

3. Strategie ist alles - Bündnisse lohnen sich

 

"Wir gehen schnell und alleine vor, das ist effizient. Wir haben sowieso die besten Argumente und die Abstimmung mit den anderen Verbänden kostet sowieso nur Zeit." Im Gegenteil: Gerade in Phasen, in denen dutzende Stellungnahmen zu einer Vorlage auf einen Abgeordneten und seine Mitarbeiter*innen einprasseln und es herausfordernd ist, die verschiedenen Positionen abzuwägen macht es Sinn, die eigenen Positionen mit anderen Verbänden/Unternehmen/NGOs abzustimmen und gebündelt an die fachlich zuständigen Abgeordneten zu übermitteln. Der hierfür notwendige Aufwand wird durch eine stärkere Position aller Beteiligter mehr als wettgemacht. Der Trend zu dieser Vorgehensweise lässt viele "Einzelgänger" zurück, die ihre Position infolgedessen nur schwer durchsetzen können. Fazit: Bündnisse lohnen sich - gerade Allianzen, die so nicht erwartet werden, beispielsweise zwischen Industrie- und Umweltverbänden - überzeugen am nachhaltigsten. 

 

PS: Spart euch sämtliche "Werbegeschenke". Niemand im Bundestag braucht ein Springseil - ja, sowas wurde wirklich an alle MdB-Büros verschickt. 


Ihr seht einiges in diesem Beitrag anders? Dann lasst uns darüber sachlich streiten!

 

Schreibt mir euren Kommentar.


Kommentare: 2
  • #2

    Kathrin Zabel (Freitag, 13 Juli 2018 11:04)

    Zustimmung auf ganzer Linie - auch beim Kollegen Sprinzl. Mitunter stehen aber auch andere Interessen (und Zwänge?) hinter diesen Anfragen. Was in der Folge - wie ausgeführt - die Lage nicht verbessert. Bleibt nur zu hoffen, dass sie sich nicht noch verschlechtert...

  • #1

    Michael Sprinzl (Donnerstag, 12 Juli 2018 16:46)

    Sehr richtig erkannt. Genau diese Vorgangsweise versuche ich erfolgreich seit über 10 Jahren meinen Klienten und auch meinen Studenten zu vermitteln. Einem zeremoniellen Termin bei Ministern oder Abgeordneten ist ein ordentlich vorbereitetes Arbeitstreffen mit dem Stab in jedem Falle vorzuziehen.

    Dipl.-Ing.
    Michael Sprinzl
    Lehrbeauftragter an der FH des bfi Wien
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