Eckpunkte einer echten Verkehrswende im neuen Jahrzehnt

Verkehrspolitik. Das war in den letzten Jahrzehnten vor allem Automobilpolitik. Die drei CSU-Verkehrsminister Ramsauer, Dobrindt und Scheuer gaben zwischen 2009 und 2018 insgesamt 20 Milliarden Euro für den Aus- und Neubau von Bundesautobahnen und Bundesstraßen aus [1]. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum hat die Bundesregierung gerade mal 700 Millionen Euro in  Radwege investiert [2]. Zwar sprechen heute viele von der Verkehrswende, aber das, was die Bundesregierung mit den Steuergeldern der Bürgerinnen und Bürger verkehrspolitisch tatsächlich tut, verdient diesen Namen nicht. Es ist Wahrung des automobilen Status Quo, größtenteils ein „Weiter so“, ein wenig Kosmetik und viele warme Worte. Aber das macht die Luft in unseren Städten nicht sauberer, davon fährt kein zusätzlicher Bus auf dem Land, geschweige denn, dass es den Verkehr auf unseren Straßen minimiert. 

 

Für eine Verkehrswende in Deutschland, die diesen Namen auch verdient, muss sich kurz-, mittel- und langfristig einiges ändern. In diesem Artikel haben wir zu drei grundlegenden Eckpunkten einer echten Verkehrswende daher stets auch konkrete Vorschläge für umsetzbare und wirksame Maßnahmen ergänzt. Denn es muss nichts neu erfunden, sondern das Bestehende nur neu justiert werden. Allerdings von Grund auf. Natürlich geht immer mehr und natürlich muss eine Verkehrswende auf allen Ebenen stattfinden. Wir haben uns hier jedoch auf die Bundesebene fokussiert, denn tatsächlich können nur hier die wesentlichen Weichenstellungen vorgenommen werden. Wir freuen uns auf die Diskussion mit euch zu unseren Vorschlägen. 


1. Die Grundlagen verändern: Finanzierung und Strukturen der Verkehrswende

 

Ohne Veränderungen an den grundsätzlichen Finanzierungsstrukturen wird sich im Verkehrssektor auch nichts ändern. Ein Baustein ist der rigorose Abbau einiger klimaschädlicher Subventionen, die den Zielen der Verkehrswende zuwiderlaufen. Dazu gehört das Dieselprivileg. Dass Diesel-Kraftstoff durch den Staat künstlich verbilligt wird, kostete den Bund allein im Jahr 2018 rund 8,2 Milliarden Euro [3]. Auch die steuerliche Förderung von Dienstwagen macht verkehrspolitisch keinen Sinn und sollte daher vollständig abgeschafft werden – auch jene für Elektro-Dienstwagen. Stattdessen sollten dienstliche Mobilitätsbudgets steuerliche Förderung erhalten. Nur diese lassen den Angestellten die Wahlfreiheit. Sie können sich selbst ihre Mobilität situativ zusammenstellen. Das kann eine BahnCard100, ein Mietwagen, ein Dienstrad sein. Gerade Unternehmen sollten wir in die Lage versetzen, die Mobilität ihrer Mitarbeitenden positiv im Sinne der Verkehrswende zu fördern. Hierdurch und durch den Abbau weiterer klimaschädlicher Subventionen stünden für die Finanzierung von weiter unten beschriebenen konkreten Maßnahmen für eine echte Verkehrswende ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung. 

Strukturen und Mechanismen, die dafür sorgen, dass jährlich Milliardenbeträge in den Straßenbau fließen, müssen aufgebrochen werden. Alle Einnahmen aus der Lkw-Maut – und das waren 2018 ca. 5,1 Milliarden Euro [4] – fließen aktuell ohne Ausnahme in den Neu- und Ausbau von Autobahnen und Bundesstraßen. Und das, obwohl wir bereits das dichteste Straßennetz Europas haben [5]. Die Maut-Milliarden müssen für ein Gelingen der Verkehrswende neu verteilt werden, denn niemand in Deutschland braucht neue Straßen. Dass durch neue und breitere Straßen der Verkehrsfluss besser wird, ist wissenschaftlich mehrfach widerlegt. Neue Straßen führen zu mehr Verkehr [6]. Angesichts der klimapolitischen Ziele für den Verkehrssektor bis 2030 müssen alle neuen Autobahn- und Bundesstraßenprojekte auf den Prüfstand gestellt werden, ab 2025 sollte der Straßenneubau eingestellt werden. Die jährlichen Milliarden-Einnahmen aus der Lkw-Maut sollten nach dem folgenden Schlüssel verteilt werden: 50 Prozent für Ausbau- und Modernisierungsmaßnahmen des Schienennetzes, 30 Prozent für Sanierungs- und Erhaltungsprojekte der Bundeswasserstraßen und 20 Prozent für den Erhalt von Bundesfernstraßen und Brücken. 

Damit zum nächsten wichtigen Baustein einer echten Verkehrswende: Der Deutschen Bahn. Ihr kommt verkehrs- und klimapolitisch eine Schlüsselrolle für die Verkehrswende im neuen Jahrzehnt zu. Dafür muss sie neu aufgestellt werden. Zuallererst sollte die Rechtsform der Aktiengesellschaft geändert werden, um den Staatskonzern politisch besser zu kontrollieren und steuern zu können  Im Zuge dieser Reform sollte die Bahn sich – wie vielfach vom Bundesrechnungshof in den letzten Jahren empfohlen [7] – von Auslandstöchtern trennen und einen Großteil des Auslandsgeschäftes veräußern. Die Bahn könnte durch diesen Schritt ihre Finanzen aufbessern und Kapital für dringend notwendige Investitionen (z.B. in neue Züge) generieren und den Fokus auf das Kerngeschäft in Deutschland stärken. Wichtig für die Rolle der Bahn als Rückgrat der Verkehrswende wäre darüber hinaus, diese von der Verpflichtung zu befreien, mit ihren Aktivitäten in allen Bereichen Gewinne zu erwirtschaften. Aktuell sorgt diese Prämisse für viele der täglichen Probleme, wie die stark sanierungsbedürftige Infrastruktur,. Wir brauchen keine Bahn, die Gewinne macht und Renditen auf Kosten ihrer Mobilitätsdienstleistung für Millionen Menschen in Deutschland erwirtschaftet. Wir brauchen im neuen Jahrzehnt eine Bahn, die zu fairen Preisen, verlässliche und saubere Mobilität für alle anbietet.

 

 

2. Verkehr vermeiden und Verkehrswachstum eindämmen

 

Eine echte Verkehrswende besteht nicht darin, dass wir den vorhandenen Verkehr immer effizienter organisieren – technische Innovation löst unsere Probleme nicht. Sie besteht darin, sich der Herausforderung der Verkehrsvermeidung zu stellen und somit das immense Verkehrswachstum einzudämmen, das – wenn wir nichts unternehmen – allein im Güterverkehr zwischen 2020 und 2030 circa 38 Prozent betragen wird [8]. 

 

Die Zulassungszahlen steigen aktuell, wir kaufen immer größere Pkw, obwohl wir diese statistisch nur 45 Minuten am Tag mit einer Person benutzen. Die tägliche Pendlerstrecke erreichte 2019 einen neuen Rekord von 34 Kilometern am Tag [9]. Besonders hoch Qualifizierte legen immer längere Wege zurück, aber auch das Pendeln zwischen Ost- und Westdeutschland ist signifikant. Wie können diese Entwicklungen aufgehalten und sogar umgekehrt werden? Denn eines ist erwiesen: Tägliches Pendeln macht nicht nur krank und belastet die Umwelt, es ist auch in vielen anderen Ländern mittlerweile etwas, das aktiv vermieden wird. Mobiles Arbeiten ist somit ein großer Hebel, um Verkehr und Umweltbelastung gleichermaßen positiv zu beeinflussen. Wenn zehn Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland einen Tag in der Woche von zu Hause arbeiten würden, könnten mehr als 4,5 Milliarden Kilometer an Pendlerstrecke und etwa 850 Millionen Kilogramm CO2 pro Jahr eingespart werden [10]

 

Wir müssen daher gesetzlich, aber auch in der Kultur und Organisation von Unternehmen und Teams lokal unabhängiges Arbeiten fördern. Hierfür macht es Sinn, Anbieter von Coworking – auch auf dem Land – finanziell durch besondere Programme zu unterstützen, um Arbeitswegen zwischen ländlichem Raum und Ballungsgebieten zu vermeiden. Nicht JedeR kann ortsunabhängig arbeiten, aber das Potenzial, dass darin für Unternehmen und den Verkehrssektor liegt, ist dennoch gigantisch und damit wichtig für die Verkehrswende. Daher müssen auch zusätzliche Optionen wie das Park & Ride im Zufluss auf Städte verbessert werden. Hierfür könnten große Parkplätze von Baumärkten und ähnlichen Anbietern in Stadtrandlagen zu Pendlerparkplätzen teilweise umgewidmet werden. Fahrgemeinschaften und Einzelpersonen, die mit dem Pkw von außerhalb der Stadt einpendeln, aber auch Touristen könnten an diesen Punkten nahtlos in den ÖPNV umsteigen oder in Firmenbussen der jeweiligen Unternehmen zum Arbeitsplatz gelangen. Besonders bei Schichtdienst bietet sich diese Organisation von „Werksverkehren“ an.

 

Für den Bereich der städtischen Logistik sollten außerhalb der Städte mehr Logistik-Hubs eingerichtet werden, von denen aus Lastenräder und Kleintransporter an verschiedenen Tagen in der Woche die Lieferungen bis an die Haustür transportieren. Andere tranportierfähige Güter könnten in Stadtteil-Hubs gebracht werden. Daneben sollte der Staat eine Paketsteuer von zwei Euro je Paket einführen und den Mindestlohn von Paketboten erhöhen. Beides wäre ein klares Preissignal an die Verbraucher beim Onlinehandel, würde ggf. auch die Menge an Retouren reduzieren und den lokalen Handel als Alternative stärken. Denn es hilft nichts: auch wir als Konsument*innen müssen unser Handeln aktiv hinterfragen und ändern. Der Staat alleine wird  Verkehr nicht umfassend vermeiden können.

 

Zusätzlich zu den bisherigen Mitteln sollten mindestens 800 Millionen Euro investiert werden in die Förderung von Fahrradparkhäusern, ein „1-Millionen-Lastenrad/Lasten-Pedelec-Programm“ für Handwerker, Kleinunternehmer, Familien und Wohngemeinschaften und den forcierten Bau von Radwegen an Bundesfernstraßen und von Radschnellwegen. Außerdem sollte der Bund Kommunen fördern, Kreuzungen so umzubauen, dass sie für alle Verkehrsteilnehmer sicher sind. Auch die Straßenverkehrsordnung muss so weiterentwickelt werden, dass dem Radverkehr Vorrang eingeräumt wird und sich die „Vision Zero“, also das Ziel, dass niemand mehr im Verkehr getötet wird und kaum noch schwere Unfälle passieren, verwirklichen lässt. Der Bund sollte Städte und Gemeinden fördern, die Pkw-Parkplätze in Fahrrad- und Lastenradparkplätze umwidmen bzw. umbauen.

 

Neben wirtschaftlich agierenden Unternehmen sollten auch alle Bundesministerien Dienstreisen vermeiden. Hierfür muss vor allem die Zwei-Standort-Politik zwischen Bonn und Berlin beendet werden. Diese führt jedes Jahr zu über 100.000 Flugreisen und Reisekosten in Höhe von mehreren Millionen Euro [11]. Darüber hinaus sollten alle Bundesministerien für ihre Beschäftigten die Kapazitäten für Video-Konferenzen massiv ausbauen. Bei noch immer notwendigen Dienstreisen sollte nicht die kostengünstigste, sondern die CO2-neutralste Reise gebucht werden. Kompensationszahlungen für Dienstreisen ihrer Beschäftigten sollten für die Bundesministerien verpflichtend sein.

 

3. Verkehr verlagern: weg von der Straße, rauf auf die Schiene

Um allen Menschen eine saubere und bezahlbare Mobilität anbieten zu können, muss das Angebot des Fernverkehrs der Deutschen Bahn in den nächsten zehn Jahren massiv ausgeweitet, digitalisiert und verbessert werden. Nur ein attraktives und kapazitätsangeglichenes Angebot lockt Menschen aus ihren Autos in die Bahnen. Denn: Schon heute sind viele Strecken nahe an der Auslastungsgrenze und die Bahnen sind voll. Nur mit deutlichem Streckenausbau, der Reativierung von stillgelegten Strecken und den Bau von neuen Strecken werden wir das Ziel der Bundesregierung, die Verdopplung der Fahrgastzahlen bis 2030 erreichen. Aber auch der Sanierungsrückstau aus dem letzten Jahrzehnt von über 50 Milliarden Euro muss dringend aufgeholt werden [12].

 

Das bedeutet jährlich statt wie bisher 1,5 Milliarden Euro mindestens 3 Milliarden Euro für den Neu- und Ausbau von Schienenwegen bereitzustellen. Um zu gewährleisten, dass diese Summe auch verbaut wird, könnten die Planungs- und Baukapazitäten aus dem Straßenbausektor genutzt werden, die frei werden, sobald die oben genannten Änderungen im Straßenbauetat eintreten. Zugleich muss der Bund seine Kapazitäten zur Planung und Genehmigung von Schienenstrecken massiv aufstocken und sämtliche Möglichkeiten zur Planungsbeschleunigung prüfen. Darüber hinaus sollte der Deutschland-Takt, also ein Konzept für einen stunden- bzw. halbstundenweisen vertakteten Fern- und Nahverkehr bereits Ende dieses Jahrzehnts eingeführt werden. Damit mehr Züge in enger Taktung fahren können, bedarf es  der umfassenden Digitalisierung der Infrastruktur und der Züge: es kann nicht sein, dass die moderne Leit- und Sicherungstechnik erst 2040 auf dem gesamten Netz und in allen Zügen zur Verfügung steht. Auch hier muss der Bund für einen zügigeren Roll-Out bis 2030 die notwendigen Mittel in Höhe von 32 Milliarden Euro zur Verfügung stellen [13]. Die Bahn muss für die Erneuerung ihrer Flotte zweistellige Milliardensummen investieren und die neuen Fahrzeuge auch an die Bedürfnisse der (neuen) Kunden anpassen. Das heißt konkret mehr Kleinkindabteile und mehr Radabstellplätze. Die Deutsche Bahn muss parallel den Reisenden mit einer Flotte neuer Züge ein attraktives Nachtzugangebot unterbreiten, das europäisch abgestimmt mit anderen Bahnen entwickelt werden muss. Wenn mehr Züge im Einsatz sein sollen, müssen auch die Instandhaltungskapazitäten stark ausgebaut werden. Derzeit gehen jeden Tag 80 Prozent der ICE mit verschiedenen Defekten wieder in den Einsatz, weil die Zeit für die Instandsetzung oft nicht ausreicht – das muss sich im neuen Jahrzehnt ändern [14].  

 

Die Preisgestaltung der Deutschen Bahn sollte verändert werden. Insbesondere die Preise für die Bahncards 25, 50 und 100 sollten halbiert werden, sodass sich mehr Menschen regelmäßige Fahren mit der Bahn leisten können. Auch sollten die Kosten für eine Bahncard 100 für Arbeitnehmer umfassender steuerlich absetzbar sein. Mittelfristig sollte die Mehrwertsteuer auf Tickets der Bahn im Fernkehrverkehr komplett entfallen. Damit auch junge Menschen klimafreundlich und bezahlbar mobil sein könnten, sollten alle Studentinnen und Studenten sowie alle Auszubildende die Möglichkeit einer kostenlosen Bahncard 25 als „Ausbildungsticket Deutschland“ erhalten.

Im Jahr 2018 wurden nur circa 19 Prozent des Güterverkehrsaufkommens in Deutschland über die Schiene bewegt, aber 72 Prozent auf der Straße [15]. Der Güterverkehr muss in den nächsten Jahren in signifikantem Ausmaß von der Straße auf die Schiene verlagert werden. Hierfür sollten die Lkw-Maut-Sätze deutlich erhöht werden, sodass alle externen Kosten (Lärm und Luftverschmutzung) vollständig einbezogen/angelastet werden. Zudem sollte die Lkw-Maut um eine CO2-Komponente ergänzt werden. Die bisherige Maut-Lücke zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen führt dazu, dass viele Transportunternehmen lieber mehrere Kleintransporter statt eines Lkw auf die Autobahnen schicken und somit die Lkw-Maut umgehen. Dem Staat entgehen so jährlich hunderte Millionen Euro, die Autobahnen sind durch dieses Vorgehen hoch belastet. Daher sollte die Lkw-Maut auf alle Lkw ab 3,5 Tonnen und das Nachtfahrtverbot für Lkw ausgeweitet werden. Diese Maßnahme hat in der Schweiz entscheidend dazu beigetragen, dass der Gütertransport durch das Land 2018 zu einem Anteil von 70 % auf der Schiene abgewickelt wurde [16]. Wenn zugleich die Transportpreise auf der Schiene gesenkt und entlang der hochfrequentierten Nord-Süd- und Ost-West-Korridore rollende Landstraßen und Autobahnen eingerichtet und gefördert werden, dann besteht bis 2030 die Chance, auch in Deutschland den Güterverkehr endlich von der Straße auf die Schiene zu verlagern.

 

 

Immer wieder wird von Fahrgästen in Umfragen gefordert, einen einfachen Zugang zur Buchung und Bezahlung von übergreifenden Reiseketten zu erhalten. "Die App für Deutschland" stößt in ihrer Umsetzung jedoch auf die Heterogenität der verkehrlichen Anbieter von Fernverkehr bis E-Scooter. Um hier schnell eine echte Lösung mit Mehrwert für alle zu schaffen, sollten die aktuell bestehenden Lösungsansätze gefördert, aber auch gefordert werden. Da wäre zum einen der DB-Navigator, der von der Bahn zu einer offenen Plattform für alle Mobilitätsbelange und -anbieter weiter entwickelt werden könnte. Zum anderen gibt es von Seiten der Verkehrsunternehmen in Deutschland das Angebot Mobility Inside, das von Beginn der Planungen an neben der "alten Welt" der öffentlichen Mobilität auch digitalisierte Formen wie Ridepooling und On-Demand mitdenkt. Welche dieser Plattformen die Lösung für Deutschland wird, entscheidet die Geschwindigkeit und Qualität der Umsetzung. Es gilt, endlich überregionale Kundenorientierung zu entwickeln, sodass Reisende zum besten Preis und mit nur einem digitalen Ticket mit einem ICE, im Anschluss mit einer S-Bahn und einem Bus von A nach B, aber auch mit digitalisierten On-Demand- und Sharing-Angeboten zu ihrem Zielort reisen können. Zusätzlich sollte der Bund die Modellprojekte in den fünf Modellkommunen für die Zukunft der Mobilität verstetigen und auf andere Kommunen ausweiten.

 

Zusätzlich sollte der Bund die Modellprojekte in den fünf Modellkommunen für die Zukunft der Mobilität verstetigen und auf andere Kommunen ausweiten. Wichtig ist hier der offene Wissenstransfer, um die Maßnahmen in den „neuen“ Kommunen durch die Erfahrungen der Pioniere schneller wirksam in die Umsetzung zu bringen. Der Bund muss die Kommunen umfassend bei der Verkehrswende unterstützen und zwar bevor die Verkehrsprobleme so groß sind, dass vor Gerichten über Fahrverbote gestritten wird. Daher sollte er für die nächsten zehn Jahre gemeinsam mit den Ländern und Kommunen auch ein S-Bahn-Förderprogramm auflegen, sodass auch der Nahverkehr Kapazitäten für mehr Kundinnen und Kunden ausbauen kann. Zudem sollte der Bund den Kommunen mit einem einheitlichen Rechtsrahmen die Möglichkeit eröffnen, eigene City-Maut-Systeme zu etablieren und großangelegte Modellprojekte fördern. Damit auch die Menschen auf dem Land jenseits des Pkw zu fairen Preisen, sicher und verlässlich mobil sein können, sollte der Bund den Auf- und Ausbau des Nahverkehrs im ländlichen Raum unterstützen. Hierzu könnte zum Beispiel die Förderung von Sharing-Angeboten und alternativen Bedienformen wie sie schon heute Moia oder Berlkönig im städtischen Umfeld anbietet zählen. Allerdings sollten diese tiefenintegriert als Teil des regionalen Nahverkehrs angeboten und nicht als Insellösung parallel geführt werden.

 

Um den Flugverkehr auf die Schiene zu verlagern, sollten hier zunächst alle direkten und indirekten Subventionen und damit alle Wettbewerbsverzerrungen zugunsten des Fliegens abgeschafft werden. Hierzu zählt vor allem die Nicht-Besteuerung von Flugkerosin, wodurch dem Fiskus allein 2018 über 580 Millionen Euro entgingen [17]. Darüber hinaus sollten auf allen Inlandsflügen die Luftverkehrssteuer verdreifacht und auf allen anderen Flügen verdoppelt werden. Beim Kompensieren von Flugreisen sollten alle Fluggesellschaften dazu verpflichtet werden, bereits bei der Buchung eine Opt-Out-Regelung einzuführen. Die oben genannten Nachtzüge gilt es als Alternative für europäische Fliege auszubauen.

 

 

Fazit

 

Die strukturellen und finanziellen Grundlagen ändern, Verkehr vermeiden und Verkehr verlagern – das macht eine echten Verkehrswende im neuen Jahrzehnt aus. Alles andere verdient diesen Namen nicht. Klar ist: die vorgeschlagenen Maßnahmen entfalten ihre stärkste Wirkung im Zusammenspiel und müssen daher parallel vorangetrieben werden. Die Eckpunkte der Verkehrswende und die entsprechenden Maßnahmen sind ein großes Reformvorhaben. Daher gilt es, in der Gesellschaft um Mehrheiten zu werben und die Übergangsphasen sowie die Umsetzung der Maßnahmen kommunikativ zu begleiten.

 

 

Christian Storch & Katja Diehl 

 

 

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Quellen:

 

[1] http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/104/1910442.pdf , Antwort auf Frage 2.

 

[2] http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/104/1910442.pdf , Antwort auf Frage 8.

 

[3] http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/104/1910442.pdf , Antwort auf Frage 17.

 

[4] http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/104/1910442.pdf , Antwort auf Frage 9.

 

[5] https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/StB/entwicklung-der-autobahnen-in-deutschland-seit-der-wiedervereinigung.html

 

[6] http://www.verkehrswissenschaftler.de/berichte/bericht_2.htm

 

[7] https://www.bundesrechnungshof.de/de/veroeffentlichungen/produkte/sonderberichte/langfassungen-ab-2013/2019/2019-sonderbericht-strukturelle-weiterentwicklung-und-ausrichtung-der-deutschen-bahn-ag-am-bundesinteresse

 

[8] https://www.dslv.org/dslv/web.nsf/id/li_fdih9l5gzg.html

 

[9] https://www.kba.de/DE/Statistik/Fahrzeuge/Neuzulassungen/MonatlicheNeuzulassungen/monatl_neuzulassungen_node.html

 

[10] https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/weniger-pendeln-wie-viel-co2-deutschland-mit-mehr-home-office-sparen-koennte/25406082.html

 

[11] https://www.welt.de/politik/deutschland/article200360468/Regierungsbeamte-pendeln-zwischen-Berlin-und-Bonn-vorwiegend-per-Flugzeug.html

 

[12] https://www.zdf.de/nachrichten/heute/klimaziele-bahn-co2-klimawandel-100.html

 

[13] https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/E/machbarkeitsstudie-digitalisierung-schiene.pdf?__blob=publicationFile

 

[14] https://www.reisereporter.de/artikel/6413-maengel-bei-der-deutschen-bahn-nur-jeder-fuenfte-ice-hat-keine-probleme-defekte-werden-nicht-alle-repariert

 

[15] http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/104/1910442.pdf , Antwort auf Frage 28, Tabelle 2.

 

[16] https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/mobilitaet-verkehr/gueterverkehr.html

 

[17] http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/104/1910442.pdf , Antwort auf Frage 19.

 

Bildquellen (von oben nach unten):

 

[1] https://www.facebook.com/DonaldDuck/photos/a.154691854276/10152598332294277/?type=1&theater 

[2] https://www.instagram.com/p/B7JIqN3CEO_/

[3] eigenes Foto

[4] https://www.wiwo.de/unternehmen/dienstleister/werner-knallhart-lockt-die-deutschen-zur-bahncard-100/25049854.html

[5] https://www.zeit.de/mobilitaet/2019-06/klimaschutz-verkehrspolitik-co2-ausstoss-bundesregierung-kosten-bahnfahrt-pkw

 

Kommentare: 2
  • #2

    Tim (Sonntag, 19 Januar 2020 21:26)

    Warum sollte das Einkaufen beim lokalen Handel weniger Verkehr produzieren als Online-Handel? Das ist eine wenigstens gewagte Annahme. Ganz im Gegenteil, bei geschickter Organisation dürfte Online-Handel für die Städte wesentlich weniger Verkehr bedeuten. Und es werden zudem massiv Wohnflächen in den Innenstädten frei.

  • #1

    Nachteule (Montag, 13 Januar 2020 19:07)

    Schöner Artikel! Eine Frage: Was ist mit "Auch sollten die Kosten für eine Bahncard 100 für Arbeitnehmer steuerlich absetzbar sein" gemeint? Die BC100 ist schon jetzt steuerlich absetzbar!