Nadelstreifen-Nazis im Bundestag - und wir stehen mit ihnen an der Bar

Als Student arbeitete ich vor einigen Jahren im Sächsischen Landtag. Dort hatte ich sogar zwei Jobs: erstens war ich studentischer Mitarbeiter bei der Grünen Landtagsfraktion und zweitens war ich Guide im Besucherdienst des Landtags. In beiden Jobs hatte ich mit der NPD zu tun. Einmal war sie unser politischer Gegner und zum anderen führte ich NPD-Besuchergruppen durch das Parlamentsgebäude und erläuterte Bedeutung und Vorteile der Demokratie. Die zweite Aufgabe entbehrte regelmäßig nicht einer erschreckenden Ironie. Denn die NPD trat ja eigentlich dafür ein das demokratisch-parlamentarische System abzuschaffen. Daher bereitete es mir stets besondere Freunde den Besucherinnen und Besuchern, die von NPD-Abgeordneten eingeladen wurden, zu erklären, dass "ihre" Abgeordneten Teil des demokratischen Systems seien und ebenfalls diese schlimmen Diäten erhielten und ebenfalls in der "Quasselbude" hockten. Aber ich hörte auch zu. Ich hörte zu, was die Menschen, die den Landtag als Besucher betraten sagten, welche Fragen sie ihren NPD-Abgeordneten stellten und ich moderierte die ca. einstündigen Besuchergespräche im Anschluss an die Führung mit den NPD-lern. Hier wurde bei geschlossener Tür Tacheles geredet - von den Besuchern ebenso wie von den Abgeordneten. Oftmals hatte ich den Eindruck, dass nur meine Anwesenheit noch klarerer Worte gegen "den Staat", "die Ausländer" und "die da oben" verhinderte. Ich war über fünf Jahre beim Besucherdienst und ich war vier Jahre Mitarbeiter in der Landtagsfraktion. Für mich war immer klar: Nazis sind Nazis. Egal, ob sie redegewandt sind, ob sie Nadelstreifenanzüge tragen oder ob sie mich auf dem Flur grüßen. Zum Glück ist die Taktik der NPD, sich mit einem "freundlicheren" Auftreten ein bürgerliches Image zu verpassen nie wirklich aufgegangen. Aber: was der NPD in Sachsen nie gelang, das hat die AfD seit 2013 geschafft. 

 

Ich sage es in aller Klarheit: die AfD ist ein Auffangbecken für diejenigen, die früher bei der NPD und in rechten Kreisen verkehrten und es teilweise auch heute noch tun. Hier tummeln sich scharenweise Nazis wie Höcke. Von der "Professorenpartei", die Lucke und Petry gründeten ist nichts, aber auch gar nichts mehr übrig geblieben. Das wissen Gauland, Weidel und von Storch ebenso, wie es alle anderen Parteifunktionäre wissen. 

 

Inzwischen sitzt die AfD in allen deutschen Landtagen und im Bundestag. Seit 2013 hatten alle Verbände, Institutionen, Medien, Think-Tanks, Agenturen, Stiftungen, NGOs und Unternehmen Zeit und Gelegenheit ihre Haltung zur AfD zu entwickeln. Seit zweieinhalb Jahren bin ich nun im politischen Berlin tätig und mich erschrecken zwei Dinge im Umgang mit der AfD: Erstens haben viele Akteure noch immer keine klare Haltung zu dieser Frage und zweitens haben einige Player in Berlin eine "Sind-doch-auch-gewählte-Abgeordnete-Haltung" gegenüber der AfD eingenommen.

 

Diejenigen, die sich dieser Haltungsfrage nicht stellen wollen, sind vielfach überzeugt, dass "nicht alles so politisch ist". Ich bin der Ansicht, dass alle Akteure unserer Demokratie bereit sein sollten klare Kante für unsere Werte zu zeigen. Dass sich eine klare Haltung sogar auf den Unternehmenserfolg auswirken kann zeigen Beispiele wie Nike oder Sixt. Wenn sich alle raushalten, dann haben diejenigen, die an der Demokratie rütteln wollen leichtes Spiel. Keine Haltung zur AfD zu haben ist eine Haltung. Absolut unpolitisch kann kein Unternehmen und kein Verband sein. Auch keine PR-Agentur und keine Zeitung kann, wenn es um die Grundfesten der Gesellschaft geht, vermeintlich "neutral" sein. 

 

Neben denen, die glauben, dass sie das alles nicht betrifft und es auch nicht wichtig ist eine Haltung gegenüber der AfD einzunehmen, gibt es in Berlin diejenigen, die der AfD bereits in einem entscheidenden Punkt auf den Leim gegangen sind: Sie laden die Abgeordneten der AfD-Bundestagsfraktion deswegen zu ihren Parlamentarischen Abenden, zu Gesprächsrunden oder anderen Events ein und lobbyieren bei den Abgeordneten wie bei allen anderen, weil sie ja gewählte Volksvertreter seien. Mit denen müsse man auch reden. Die könne man ja nicht vollkommen ignorieren. Das würde die ja nur noch bestätigen. Der inhaltliche Austausch muss ja auch da möglich sein. Das höre ich in verschiedenen Abstufungen immer wieder. Die diese Haltung führt dazu, dass ich bei Parlamentarischen Abenden dann an der Bar stehe und neben mir stehen Abgeordnete der AfD oder ihre Mitarbeiter, die ich aus Sachsen - u.a. von der NPD - noch ganz gut kenne. Das sind sie, von denen Holger Apfel immer geträumt hat: die Nadelstreifen-Nazis, die von außen oftmals gar nicht als Faschisten, Rassisten und Menschenfeinde zu erkennen sind, die sich bürgerlich geben und mit allen anderen freundlich umgehen - am nächsten Tag aber nicht davor zurückschrecken die Kasernierung von Ausländern zu fordern oder sich eine anerkennende Erinnerungskultur für die Leistungen der Wehrmacht im zweiten Weltkrieg zu wünschen. 

 

Ja, nicht alle in der AfD sind Nazis. Aber wer einer solchen Parteiführung um Gauland und Höcke noch immer hinterher rennt und schweigt zu dem, was sie und viele andere in der Partei über andere Menschen sagen, der hat sich entschieden und unterstützt sie. Und wer sie als Player des politischen Berlins einlädt und lobbyiert, der wertet sie auf, legitimiert sie und sorgt dafür, dass sie sich als politische Kraft etablieren können. Wer noch immer nicht weiß, wie er zu seiner Haltung gegenüber der AfD gelangen soll, dem empfehle ich ein Geschichtsbuch, Kapitel Weimarer Republik. 


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