Deutsches Zentrum Mobilität der Zukunft – eine Ente des Tages?

Der Verkehrssektor ist das klimapolitische Sorgenkind Deutschlands, denn während zum Beispiel in der Energiewirtschaft und in der Industrie die CO2-Emissionen seit Jahren kontinuierlich sinken, stiegen sie im Verkehr 2019 auf 163,5 Mio. Tonnen CO2 an. [1] Von wirksamem Kilmaschutz im Verkehr oder gar einer echte Verkehrswende sind wir noch immer weit entfernt. Daher war es eine echte News, was Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) am 08.03.2020 im Münchner Merkur verkündete:  er habe entschieden, dass der Bund am Standort München 500 Millionen Euro in ein „Deutsches Zentrum Mobilität der Zukunft“ investieren werde. [2] Aus vielerlei Gründen war das ein Knaller – nicht einmal der Münchner Oberbürgermeister wusste zu diesem Zeitpunkt etwas davon. In diesem Blogpost möchten wir die Idee von Herrn Scheuer detailliert analysieren, denn sie wirft einige Fragen auf, denen er sich in den nächsten Wochen wird stellen müssen, wenn das Ganze mehr werden soll als eine Überschrift und eine PR-Ente. 

 

Konzept – Fehlanzeige

 

Eigentlich kann man gar nicht gegen Forschung im Bereich der Mobilität sein. Auf dieser Prämisse beruht die Idee des neuen Forschungszentrums. Denn wer will schon etwas dagegen sagen, wenn der Bund Mobilität und Digitalisierung zusammenbringen will; wenn Andreas Scheuer Lehrstühle, Werkstätten und einen Praxiscampus errichten will? Wer sich für die Forschung einsetzt, der ist vor Kritik immun? Mitnichten. Wenn der Bund 500 Millionen Euro in eine Sache investiert, dann muss mehr vorliegen als ein paar Schlagworte des Ministers. Es braucht ein abgestimmtes, förderfähiges Konzept. Bisher gibt es lediglich drei Anhaltspunkte, in welche Richtung das neue Forschungszentrum konzeptionell forschen könnte: Erstens erwähnte Scheuer die Entwicklung alternativer Kraftstoffe. Zweitens brachte er ins Gespräch, dass man im Forschungszentrum der Frage nachgehen könne, welche Hauptbahnhöfe ertüchtigt werden müssten, damit Drohnen und Flugtaxis dort landen könnten. Und drittens solle es um künstliche Intelligenz im Mobilitätssektor gehen. Diese Forschungsfelder sind derart weit voneinander entfernt, dass derzeit ganz offensichtlich kein konsolidiertes Konzept vorliegt. Darüber hinaus machen die drei Punkte deutlich, dass Minister Scheuer das neue Forschungszentrum zwar an technologisch interessanten, für die realen Verkehrsprobleme der meisten Menschen aber völlig irrelevanten Fragen forschen lassen möchte. Ein Forschungsbedarf, der staatlich gefördert werden müsste wird in diesen drei Feldern nicht erkennbar. Auch die Stadt München hat für das Forschungszentrum noch kein Konzept, geschweige denn ausgesuchte Flächen, auf denen man es errichten könnte. Muss man so ein Forschungszentrum grundsätzlich ablehnen, wenn (noch) kein schlüssiges Konzept vorliegt? Sicher nicht. Aber es sollte schleunigst erarbeitet und vorgelegt werden.

 

 

Finanzierung – ungeklärt

 

Jeder Euro, den der Bund im Laufe eines Jahres ausgeben wird steht im vom Deutschen Bundestag beschlossenen Bundeshaushalt bzw. besitzt einen spezifischen Haushaltstitel, aus dem er finanziert wird. Auf die Frage eines Journalisten, wo denn die 500 Millionen Euro für das neue Forschungszentrum herkommen sollen, antwortete Minister Scheuer lapidar „aus dem Bundeshaushalt.“ Nach mehrmaliger Analyse konnten wir im gesamten Bundeshaushalt – weder in den Etats bzw. Einzelplänen von Bundesverkehrsministerium noch beim Bundesforschungsministerium – die Summe von 500 Millionen Euro oder auch nur den Haushaltstitel für ein „Deutsches Zentrum Mobilität der Zukunft“ finden. Damit ist klar: im Jahr 2020 wird nicht ein einziger Euro Bundesmittel in dieses Forschungszentrum fließen. Ein möglicher Ausweg für Scheuer wäre das Zusammenkratzen von Geldern, die seinem Ressort im Zuge des Klimapaketes zugesichert wurden und ein Umwidmen von Geldern, die eigentlich für andere Zwecke vorgesehen waren und dann dort auch fehlen werden. Ein solider Umgang mit Steuergeldern wäre das nicht, aber mit diesem Griff in die Trickkiste könnte er es vielleicht doch noch schaffen, dass 2020 ein paar Euro fließen und er ein Spatenstichbild bekommt. Muss man so ein Forschungszentrum grundsätzlich ablehnen, wenn (noch) keine fertige Finanzierung vorliegt? Sicher nicht. Aber Scheuer sollte schnellstens die Finanzierung transparent machen und sagen, welche anderen Projekte weniger Mittel erhalten, damit sein Luftschloss Realität werden kann.

 

 

 

Vergabeprozess vs. Gutsherrenart

 

500 Millionen? Da war doch was? Richtig. Im vergangenen Jahr plante Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) die Errichtung einer Forschungsproduktion für neuartige Batteriezellen. Hierfür setzte sie eine beratende Fachkommission ein und ermöglichte verschiedenen Standorten sich um diese Forschungsförderung zu bewerben. Das Ranking der eingegangenen Bewerbungen erfolgte nach objektiven fachlichen Kriterien. In die Kritik geriet die Ministerin, weil die Gewichtung der Kriterien im laufenden Prozess verändert wurde und zwar zugunsten ihres Heimatwahlkreises Münster. Andere Standorte wie Salzgitter, Karlsruhe, Augsburg oder Dresden gingen leer aus. Frau Karliczek, wurde für diesen kruden Prozess und ihr Agieren dabei zurecht von verschiedenen Seiten kritisiert. [3]

 

Andreas Scheuer gibt sich bislang nicht einmal die Mühe einen ergebnisoffenen und nach objektiven fachlichen Kriterien durchgeführten Vergabe- und Standortauswahlprozess zu simulieren. Für ihn steht von Anfang an fest, dass München Standort des Deutschen Zentrums Mobilität der Zukunft sein wird. Dass sich auch andere Städte/Regionen gerne um die 500 Millionen Euro Fördergelder beworben hätten, oder dass die Bundesregierung sich im Zuge des Kohleausstiegs eigentlich vorgenommen hatte neue Bundesbehörden und Forschungseinrichtungen in Regionen zu schaffen, die mit den Folgen des Kohleausstiegs konfrontiert sind, interessierte Minister Scheuer von Anfang an nicht. Sicher, München bietet für ein Forschungszentrum zur Zukunft der Mobilität viele Vorteile: hier gibt es bereits eine breite Forschungslandschaft im Bereich Mobilität, eine Vernetzung zur Industrie, zum Mittelstand und zu Startups in der Region wäre möglich und auch die Herausforderungen moderner Mobilität ließen sich in der Stadt als Reallabor testen. Alle diese Argumente können aber auch Ingolstadt, Aachen, Dresden, Wolfsburg, Stuttgart und viele weitere Städte und Regionen ins Feld führen. Wenn sich München gegen diese Städte mit den spezifischen Rahmenbedingungen und gegen ihre entwickelten Konzepte für ein Forschungszentrum in einem fairen Wettbewerb durchsetzen würde, dann wären wir die ersten Gratulanten. Ohne Konzept, ohne Finanzierung, ohne Vergabeprozess und -wettbewerb kurz vor der Kommunalwahl in Bayern 500 Millionen Euro an Forschungsförderung zu versprechen, das ist CSU-Gutsherrenart at it´s best. Vielleicht sollte die Nachfolgerin von Andreas Scheuer im Amt des Bundesverkehrsministers als erstes die 500 Millionen Euro in zielführende Maßnahmen für eine echte Verkehrswende investieren. Vorschläge dazu liegen auf dem Tisch. Dafür braucht es vielfach keine weitere Forschung, sondern Entschlusskraft.

 

Timon Dzienus & Christian Storch

 

 

 

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Quellen:

 

[1] https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/treibhausgasemissionen-gingen-2019-um-63-prozent

 

[2] https://www.merkur.de/politik/muenchen-scheuer-csu-zukunftsfabrik-mobilitaet-interview-investition-zukunftsfabrik-13584256.html

 

[3] https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/batteriezellen-laender-kritisieren-standort-von-forschungsprogramm-a-1275316.html

 

Bildquelle: Screenshot von https://twitter.com/BMVI/status/1091025194003718144  

 

 

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