Kohlekommission: Mitglieder, Themen und Herausforderungen - ein Ausblick

31.12.2018 - wenn dieses Jahr zuende geht, dann soll die sogenannte "Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" nach dem Willen von CDU/CSU und SPD ihre Ergebnisse vorlegen. Dann soll klar sein, wie der Kohleausstieg gestaltet werden kann, wie er gestaltet werden muss. An dem auch als "Kohlekommission" bezeichneten Gremium sollen Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Umweltverbänden, Gewerkschaften sowie der betroffenen Ländern und Regionen mitwirken. Einige Umweltverbände haben kürzlich Bedingungen für ihre Beteiligung an der Kommission gestellt. Ihre Beteiligung ist für die Legitimität der Ergebnisse der Kommissionsarbeit von entscheidender Bedeutung. Sie müssen befürchten, dass sie auf die gemeinsam mit anderen Verbänden errungenen Kompromisse politisch verpflichtet werden und sich  dadurch ihre Handlungsspielräume verengen. Aus diesem Grund drängen sie darauf, dass auch das Umweltministerium, und nicht allein das Wirtschaftsministerium, an der Federführung der Kommission beteiligt werden. Klar ist: die Kohlekommission steht bisher nur auf dem Papier - alles konkrete muss jetzt ausgehandelt werden, sodass die Ergebnisse die Interessen des Klimaschutzes, der Wirtschaft, der Beschäftigten und der Regionen ausgewogen berücksichtigen und niemand den Eindruck hat im Verhandlungsprozess unter die Räder gekommen zu sein.


Wer an der Kohlekommission beteiligt sein sollte?

 

Die Zusammensetzzung der Kommission determiniert teilweise ihre Ergebnisse. Für die Bundesregierung gilt es, diejenigen Akteure einzubinden, die Branchen vertreten, die vom Kohleausstieg direkt und indirekt betroffen sind, die Interessen der Beschäftigten durch Mitwirkung der Gewerkschaften zu sichern, Umweltverbände einzubinden, die Klima- und Umweltschutz sowie Fragen der Renaturierung berücksichtigen und jene Regionen in den Verhandlungsprozess zu integrieren, die vom Strukturwandel bereits erfasst wurden.

 

  • Die Branchen die von einem Kohleausstieg direkt betroffen sein würden sind: Betreiber von Braunkohlekraftwerken und Steinkohlekraftwerken, Gaskraftwerksbetreiber, Atomkraftwerksbetreiber, Betreiber von Erneuerbaren Energien-Anlagen (Wind, Solar, Biomasse, Wasser, Power-to-x), Übertragungsnetzbetreiber, Verteilnetzbetreiber, Gasfernleitungsnetzbetreiber, Maschinen- und Anlagenbau
  • Akteure, die die Interessen der Beschäftigten im Bereich Kohleabbau- und verstromung sowie der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsketten vertreten: IG BCE, IG Metall
  • Umweltverbände, die die Interessen des Natur- und Klimaschutzes in die Kommission einbringen werden: WWF, Nabu, BUND, Germanwatch, Deutscher Naturschutzring und Deutsche Umwelthilfe, Bundesverband Verbraucherschutz
  • Regionen die vom Strukturwandel bereits erfasst werden und in denen der Strukturwandel mit dem Kohleausstieg gestaltet werden muss: Die Lausitz in Sachsen und Brandenburg, das Mitteldeutsche Revier in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg sowie das Ruhrgebiet in Nordrhein-Westfalen. Außerdem Berlin, Bremen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, das Saarland sowie Baden-Württemberg, Bayern und Hessen - insgesamt 12 Bundesländer in denen Kohlekraftwerke stehen. Hier sollten die Landtage der Bundesländer jeweils entsprechend den Stärken der Fraktionen Vertreter wählen, die in die Kommission entsendet werden.
  • Die Bundesregierung sollte einen Kabinettsausschuss mit der Führung der Kommission beauftragen. Diesem sollten Vertreter aus BMWi, BMU, BMF, BMAS, BMJV und aus dem Bundeskanzleramt angehören.
Quelle: Ergebnis der Google-Suche für die Wortkombination "Kohle Lausitz"
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Themen und Herausforderungen der Kohlekommission

 

Die Kohlekommission sollte sich sechs Themenkomplexen widmen, die wesentlicher Teil des Gesamtprojektes ,Dekarbonisierung der Stromerzeugung´in Deutschland sind.

 

  1. Organisation der Versorgungssicherheit: Hierbei geht es darum - unabhängig von der Polemik Christian Linders - zu klären, wie die Versorgungssicherheit in allen Regionen Deutschlands im Zuge eines wahrscheinlich in mehreren Phasen erfolgenden Kohleausstiegs gesichert werden kann und zwar auch unter Berücksichtigung des europäischen Stormnetzes und europäischer Energieerzeugungs- und Energietransportkapazitäten. Deutschland muss hier kein absolutes Insel- oder Autarkieszenario durchspielen. Im Zuge dessen sollte vor allem geklärt werden, welche Rolle Gaskraftwerke für die Bereitstellung gesicherter Leistung in einem Energiesystem 2050 spielen werden? Alle langfristig angelegten Untersuchungen, wie zum Beispiel die Studie "Klimapfade 2050" des BDI, gehen davon aus, dass (erneuerbares/"grünes") Gas 2050 das Rückgrat unseres weitgehend auf erneuerbaren Energien basierenden Energiesystems sein wird. Zentrale Fragen für die Kommission sind daher: Wie viel der derzeit in Deutschland installierten Gaskraftwerkskapazität lässt sich nach dem Kohleausstieg nutzen? Stehen die Gaskraftwerke an der "richtigen" Stelle? Wo müssen neue Gaskraftwerke gebaut werden? In welchen Zeiträumen ist der Kraftwerkszubau realistisch darstellbar? Welche Kosten kommen hier auf den Staat und/oder die Verbraucher*innen zu?
  2. Kosten des unmittelbaren Kohleausstiegs: Zwar zeigten kürzlich rechtswissenschaftliche Gutachten der Kanzlei Becker-Büttner-Held im Auftrag des Think Tanks Agora Energiewende, dass eine gesetzlich verordnete Stilllegung von bereits abgeschriebenen Kohlekraftwerken, die älter als 25 Jahre sind, entschädigungslos möglich sind. Jedoch sollten - auch aufgrund der letzten höchstrichterlichen Urteile zum Atomausstieg und der Brennelementesteuer - politisch mit der Branche der Kohlekraftwerksbetreiber die konkreten monetären Konditionen einer schrittweisen Stilllegung von Kraftwerken ausgehandelt werden. Im Sinne des effizienten Klimaschutzes ist dies auch notwendig, weil ansonsten jahrelange juristische Verfahren drohen, die den konkreten Kohleausstieg mitunter erheblich verzögern könnten.
  3. Aufwand, Kosten und Zeitplanung der Renaturierung: Bisher existieren nur mehr oder minder grobe Schätzungen darüber, wie groß der Aufwand der Renaturierung der Kohlefolgelandschaften sein wird. Einige Experten gehen davon aus, dass sich hier Kosten von ca. 10 Milliarden Euro ergeben könnten. Damit diese Summe auch zusammenkommt und nicht die Steuerzahler*innen der betroffenden Bundesländer auf den Kosten sitzen bleiben gilt es, die Kohlekraftwerksbetreiber in die Verantwortung zu nehmen und mit ihnen auszuhandeln, welche Anteile sie z.B. in einen zu schaffenden Renaturierungsfond einzahlen. Hierzu im Zuge der Kohlekommission ein Committment herzustellen scheint insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Rückstellungen der Kohlekraftwerksbetreiber mitunter zu gering sein könnten, dringend geboten. Neben den finanziellen Fragen sollten die Kommissionsmitglieder auch einen gemeinsamen Zeitplan zur Renaturierung aller Kohlefolgelandschaften ausarbeiten und definieren, wem welche Rolle bei der Umsetzung der Renaturierung zukommt.
  4. Umfang und Ausrichtung der strukturfördernden Investitionen: In den ehemaligen Kohleregionen gilt es, den sich bereits vollziehenden Strukturwandel zu gestalten. Hierfür sind mitunter umfangreiche Investitionen und Förderprogramme notwendig. Die Kommission sollte Einigkeit darüber herstellten, wie hoch die notwendigen Gesamtinvestitionen sein müssen, um den Regionen eine Zukunft jenseits des Kohleabbaus und der Kohleverstromung zu ermöglichen. Den konkreten Einsatz der Mittel sollte die Kommission den jeweiligen Regionen selbst überlassen und keine detaillierten Investitionspläne ausarbeiten. Beispielhaft haben Bündnis 90/Die Grünen in Sachsen bereits 2015 ein Konzept ("Eine Zukunft für die Lausitz nach der Kohle") für gezielte Investitionen in die Region Lausitz ausgearbeitet und es in den letzten zwei Jahren mit den Menschen vor Ort weiter verfeinert. 
  5. Sicherung von Arbeit und Beschäftigung in den Regionen: Die Menschen, die derzeit im Kohleabbau und in der Kohleverstromung beschäftigt sind werden bis zur Abschaltung des letzten Kraftwerksblocks ihre Jobs verlieren. Ihnen müssen in den Regionen neue Perspektiven geboten werden. Hierbei sollte ihr spezifisches Wissen in den Mittelpunkt gestellt werden. So würden in einer "Energieregion Lausitz", die der Ankerpunkt der Energiewende Sachsens werden könnte, hunderte Jobs im Bereich der Steuerung Erneuerbarer Energienanlagen (Wind oder Photovoltaik) geschaffen werden. Genau hier könnten, wie eine Studie des IÖW zeigt, die ehemaligen Mitarbeiter von Kohlekraftwerken in der Lausitz und im Rheinischen Revier neue Beschäftigungen finden. Die Kommission muss sich mit den Gewerkschaften und den aktuellen Arbeitgebern der Beschäftigten darüber verständigen, wie schon jetzt so in Fort- und Weiterbildung der Menschen investiert werden kann, dass sie nach dem Kohleausstieg in der Erneuerbaren Energien-Branche eine Anschlussbeschäftigung finden. Die betreffenden Regionen müssen Investitionen in Erneuerbaren Energien fördern bzw. selbst umfänglich in diese Technologien investieren, sonst entstehen die Arbeitsplätze in der Erneuerbaren Energien-Industrie nicht. 
  6. Beiträge zum Klimaschutz: Ein Kohleausstieg ist kein Selbstzweck! Alle Verhandlungen der Kommission müssen darauf ausgerichtet werden, dass ein möglichst effektiver Klimaschutz im Stromsektor erreicht wird. Hierbei sollte von der Zielmarke 2050 aus gedacht und verhandelt werden. Der Orientierungspunkt 2030 führt womöglich zu kurzfristig effizienten Klimaschutzmaßnahmen, die sich langfristig jedoch als klimapolitisch ineffizient herausstellen.

Sich allen Themen widmen & mit den Menschen an konkreten Lösungen arbeiten

 

Werden diese sechs Punkte Teil der Agenda, dann wird die Kohlekommission über eine einfache Aushandlung der abzuschaltenden GW-Kohlekraftswerkskapazitäten hinausgehen. Der Kohleausstieg kann somit dazu genutzt werden, den Strukturwandel in den Regionen aktiv, gemeinsam und langfristig zu gestalten. Dies sichert mittel- und langfristig die Akzeptanz des Kohleausstiegs bei den Beteiligten ab und führt zu effektivem Klimaschutz, sodass die 2030- und 2050-Klimaschutzziele wieder in greifbare Nähe kommen.

 

Politik endet nicht, wenn Kommissionen Empfehlungen ausgesprochen haben. Im Gegenteil: die mit dem Kohleausstieg verbundenen Gestaltungsaufgaben fangen nach den ca. ein halbes Jahr dauernden Beratungen in der Kohlekommission erst richtig an. Wichtig ist dabei vor allem mit den Menschen in den Regionen die im "Elfenbeinturm Kohlekommission" ausgehandelten Pfade des Kohleausstiegs zu diskutieren und in einem dialogischen Prozess entsprechend ihres Feedbacks Teilanpassungen an den Plänen vorzunehmen. Gerade wenn es um den Einsatz von Investitionsmitteln in den Regionen geht sollten die Bürger*innen vor Ort ein großes Mitspracherecht erhalten. Diese Prozesse zu moderieren ist eine der wichtigsten politischen Aufgaben für diese und die kommende Legislaturperiode.


Ihr seht einiges in diesem Beitrag anders? Dann lasst uns darüber sachlich streiten!

 

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